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Das Hobby zum Beruf gemacht: Doktorarbeit mit über 60

Ein paar Jahre vor dem Ruhestand noch einmal mit der Promotion anfangen: Diesen Schritt hat der 61-jährige Michael Gamer gewagt. Auf die Idee gebracht hatte ihn seine derzeitige Doktormutter Professorin Dr. Katharina Zweig während einer Zugfahrt.

Von Unispectrum live • Melanie Löw

„Informatik und Mathematik waren eigentlich immer mein Hobby“, sagt Michael Gamer und lacht. Der 61-Jährige promoviert derzeit bei Professorin Dr. Katharina Anna Zweig und erfüllt sich damit gewissermaßen einen lang gehegten Traum.

Der gebürtige Offenbacher hat Mathematik und Theoretische Physik in Frankfurt studiert. „Informatik gab es damals leider noch nicht als Studiengang“, schiebt er hinterher. Allerdings hat er auf dem Campus fünf Jahre in der Arbeitsgruppe Informatik gearbeitet. „Das war eine schöne Zeit“, erinnert er sich. „Wir hatten damals während des Studiums auch noch die Möglichkeit, in andere Bereiche hineinzuschnuppern, beispielsweise in Philosophie oder Chinesisch.“

Ein früherer Kollege vermittelt ihm schließlich einen Job in der Telekommunikationsbranche, bei dem damaligen Unternehmen Telenorma. Dort ist er für die Ausbildung der mathematisch-technischen Assistenten verantwortlich. Nebenbei ist er noch bei einem Mentoring-Programm der Fernuni Hagen tätig – ganze 27 Jahre lang. „Die akademische Nabelschnur habe ich nie wirklich durchgeschnitten.“

In den kommenden Jahren folgen weitere Stationen in der damals boomenden Telekommunikationsbranche. Ab 1993 ist Gamer für die Ausbildung im ganzen Bundesgebiet zuständig. Auch ist er an der Neuordnung der IT-Berufe beteiligt und reist als Sachverständiger für IT-Berufe durch die Republik.

Der technologische Wandel in der Telekommunikation führt jedoch zu einem massiven Personalabbau in der Branche. 2007 verlässt Gamer das Unternehmen und wechselt in den Bereich der Lehre. „Glücklicherweise hatte ich Kontakte zur Berufsakademie Rhein-Main.“ Seit 2007 ist er dort Fachbereichsleiter für Wirtschaftsinformatik. Er kümmert sich um die Belange der Studierenden und hält auch Vorlesungen. Parallel dazu arbeitet er als Begutachter für Akkreditierungen im IT-Bereich.

Dass er nun auch noch als Doktorand in der Informatik ist, hat er dem Zufall zu verdanken. Bei einer Zugfahrt kommt er mit Professorin Zweig ins Gespräch. Die beiden fachsimpeln und die Kaiserslauterer Forscherin ist der Meinung, dass Gamer unbedingt bei ihr promovieren müsse. Er lässt sich das Ganze durch den Kopf gehen und sagt schließlich zu.

Seit knapp zwei Jahren ist er nun schon im Algorithm Accountability Lab an der TU Kaiserslautern und hat bereits bei einem großen Projekt mitgearbeitet. „Es ging um eine Datenauswertung beim Suchmaschinenanbieter Google zur letzten Bundestagswahl“, sagt der Doktorand.

Mit der Promotion hat er erst vor kurzem begonnen. Er befasst sich mit sogenannten Klassifikatoren bei Algorithmen, die bei der Dateneingabe wichtig sind. Je nachdem welche Daten eingegeben werden, erzeugen solche Algorithmen etwa unterschiedliche Entscheidungsbäume. „Ich untersuche, wie das funktioniert, wenn ich unpräzise Daten eingebe“, erläutert er.

Druck verspürt er an der Uni nicht. „Ich gehe diese Arbeit ganz entspannt an. Die Arbeitsgruppe ist klasse. Es macht mir großen Spaß“, sagt Gamer, der auch leidenschaftlicher Hobby-Fotograf ist und privat in den ganzen Jahren immer im Bereich der Mathematik und Informatik geforscht hat. Wirtschaftlich ist er gut aufgestellt und lebt mit seiner Frau in der Nähe von Hanau. Genug Zeit also, um das neue Forscherleben in vollen Zügen zu genießen.

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Erstellt
am 09.12.2019 von
TU Admin

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