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Kunst auf dem Campus
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Lassen und Sein – der Stein des Gedankenanstoßes

Auf dem Campus ist immer etwas los. Hier tummeln sich Studis und Forscher, aber auch für die Kunst ist genug Raum. Genießen kann man dies in einer ruhigen Minute.

Von Unispectrum live • Utta Manes-Korban

Inmitten der Weggabelung – unterwegs zwischen Mensa und Rechenzentrum – steht die beachtliche Steinskulptur des saarländischen Bildhauers Paul Schneider. Schwer und doch zugleich schwebend stellt sie sich dem eilig vorbeilaufenden Passanten in den Weg, fordert ihn auf, stehenzubleiben und den kantigen Stein mit den beiden unterschiedlichen Seiten „Sein“ und „Lassen“ zu berühren und zu fühlen.

Das Kunstwerk entstand 1982 im Rahmen eines internationalen Steinbildhauersymposiums an der Technischen Universität Kaiserslautern, zusammen mit 19 weiteren Skulpturen von insgesamt 20 Künstlern aus acht Ländern. Initiiert wurde das Symposium von dem bekannten pfälzischen Bildhauer Professor Gernot Rumpf und dem damaligen Leiter des staatlichen Hochbauamts Kaiserslautern Walter Kessler.

Der kantige Granitblock, aus dem Paul Schneider seinen Stein „Sein und Lassen“ gearbeitet hat, stammt aus dem Zellertal im Schwarzwald und wurde von dem Künstler selbst ausgewählt. Bereits die Wahl des Findlings entschied über seine anschließende individuelle künstlerische Bearbeitung. Es war dem saarländischen Bildhauer nämlich besonders wichtig, die in dem ausgewählten Gesteinsstück vorkommenden Differenzierungen, Farbgebungen und Rauigkeiten zu belassen oder sie sogar durch seine spezielle Bearbeitung zu betonen.

Betrachtet man den Stein genauer, wird deutlich, dass er zwei verschiedene Seiten mit unterschiedlichen Oberflächenstrukturen aufweist. Hier die raue, dort die glatt geschliffene Seite. Die Ostseite, oder auch „Lassen“, und die Westseite „Sein“ waren bereits vor ihrer künstlerischen Formgebung ungleichmäßig verwittert. Der Gegensatz zwischen der bearbeiteten, mit dem Wort „Sein“ versehenen Seite und der nur grob bearbeiteten Seite verdeutlicht die Begrifflichkeit der Worte. In dem „Sein“ stecken Arbeit und Veränderung, im Lassen das Be-“lassen“-en des individuellen Charakters.

Die leicht gewellte und glatt geschliffenen Ostseite erscheint viel heller, während die natürlich belassene Westseite durch das eingearbeitete Quadratmuster die stärker gegliederte, fast schwarz wirkende Oberfläche betont. Durch das Polieren und Schleifen von Teilstücken des Steins, arbeitete der Bildhauer die differenzierte Farbigkeit des Granitblocks in schwarze, weiße, graue und rote Untereinheiten deutlich heraus.

Es ist ein Spiel zwischen Licht und Schatten, Bewegung und Ruhe, Natur und geometrischer Form – Themen, mit denen sich der Künstler hier auseinandersetzt. Zusätzlich erlaubt eine runde, glatt polierte Öffnung auf der rechten Seite von „Lassen“ der Sonne, den Stein zu durchdringen und dem Betrachter einen Blick auf das verborgene Innere des Minerals zu werfen. So wie das unterschiedlich einfallende Sonnenlicht das Aussehen des Steins beeinflusst, so verändert auch Regenwasser die Farbigkeit und den Glanz der unbehandelten stumpfen Seite und ihres behandelten polierten Gegenübers.

Der „Stein des Anstoßes“, wie Paul Schneider seine Skulptur auch nennt, soll anregen, neue Gedanken zu fassen und sich mit der Kunst auseinanderzusetzen. „Steine sind Missionare, die den Menschen sehnsüchtig machen“, erklärt der Künstler. „Das Geheimnis ist ein wichtiger Bestandteil der Kunst. Dort anzukommen, wo man Sehnsucht hat, aber nichts erkennt – noch nicht. Das ist das göttliche Element in der Kunst. Wo sie sich versteckt und Euch dazu zwingt, dahinterzukommen, mehr zu sehen, als ihr im Moment seht. Das bedeutet, Ihr müsst Geduld haben mit Euch. Und Ihr müsst es wollen.“