
Krieg in der Ukraine
In seiner Forschung beschäftigt sich Professor Dr. Sergiy Antonyuk eigentlich mit Aerosol-Technologien, dem Entwickeln von Sensoren oder dem Transport von Schüttgut. Doch mit großer Sorge blickt der gebürtige Ukrainer in sein Heimatland. Er versucht, Kontakt zu Verwandten zu halten, die im russisch-ukrainischen Grenzgebiet und in Kiew leben. Zudem bemüht er sich, Studierende sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler seiner ukrainischen Partneruniversitäten nach Kaiserslautern zu bringen.
Professor Antonyuk lebt und forscht seit 2014 an der TU Kaiserslautern. Er leitet hier das Lehrgebiet Mechanische Verfahrenstechnik. Normalerweise ist sein Berufsalltag davon geprägt, Doktorarbeiten zu betreuen, Vorlesungen und Seminare vorzubereiten, Vorträge auf Fachtagungen zu halten, Forschungsanträge zu schreiben und im Labor zu forschen. Mit dem Einmarsch der russischen Truppen am 24. Februar in die Ukraine hat sich auch für ihn vieles geändert.
Antonyuk stammt aus Donezk, ist im ukrainisch-russischen Grenzgebiet geboren und aufgewachsen. Seit 2014 mit dem bewaffneten Konflikt mit Unterstützung Russlands und der Errichtung der Separatistengebiete im Osten der Ukraine war er nicht mehr in seiner Heimatstadt. Für die Ukrainer begann damit der Krieg. Kurz vor Einmarsch der russischen Truppen vor wenigen Wochen hat er noch alle Verwandten angerufen und ihnen gesagt, dass sie das Gebiet verlassen sollen oder sich wenigstens auf die Flucht vorbereiten. „Doch sie wollten nicht weg, sie haben es nicht geglaubt“, sagt Antonyuk. In gewisser Weise seien sie schon kriegsmüde gewesen. Den Kontakt mit einigen Verwandten zu halten ist mittlerweile nicht mehr möglich, da die Kommunikationswege zerstört worden sind. Auch sei es für die Menschen dort schwer bis unmöglich, das Gebiet zu verlassen, berichtet Antonyuk. „Gleichzeitig wurden die umkämpften Orte bereits zum großen Teil zerstört ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung“, erzählt er weiter. „Eine Versorgung mit lebenswichtigen Gütern ist teilweise nicht möglich. Die Menschen leiden unter Hunger, Kälte und der enormen psychischen Belastung, wie meine Verwandten am eigenen Leib erfahren mussten.“
Seine Sorge gilt nicht nur seiner Familie und Freunden, sondern auch den Partnern an ukrainischen Universitäten. Antonyuk pflegt seit mehreren Jahren mit dem Lehrstuhl für Anlagenbau und Verfahrenstechnik an seiner Alma Mater der Nationalen Technischen Universität (TU) Donezk eine Kooperation. Schon bevor er seine Professur in Kaiserslautern antrat, hat Antonyuk eng mit den ukrainischen Partnern zusammengearbeitet. Mittlerweile gibt es einen regelmäßigen studentischen Austausch zwischen der TU Kaiserslautern und der TU Donezk, finanziert über ein mehrmonatiges Stipendienprogramm des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). Die TU Donezk selbst ist wegen des bewaffneten Konflikts seit 2014 in die Stadt Pokrowsk verlegt worden. Auch dort waren Antonyuk und seine Mitarbeiter oft zu Gast, um zum Beispiel Vorträge zu halten und über gemeinsame Forschungsprojekte zu sprechen. Eng kooperiert Antonyuk ebenfalls mit dem Lehrstuhl für Chemie-, Polymer- und Silikattechnik der Nationalen Technischen Universität KPI in Kiew. Erst im Januar dieses Jahres war Antonyuk dort.
„Wie bei allen Universitäten im Land ist der Forschungs- und Lehrbetrieb eingestellt“, so Antonyuk. Die Gebäude der Universitäten dienen teilweise nun als Lagerstätten für Sachspenden, Lebensmittel und Medikamente. „Freiwillige Helfer organisieren dort die Versorgung der ukrainischen Soldaten“, berichtet Antonyuk. „Manche der Gebäude haben sehr tiefe Keller und werden daher auch als Schutzbunker für Studierende genutzt.“
An beiden Universitäten habe sich die Situation dramatisch verschlechtert. „Die TU Donezk hat beim Ministerium für Bildung und Forschung der Ukraine angefragt, erneut den Standort zu verlegen, nach Luzk in den Westen. Die Antwort des Ministeriums kam noch nicht.“ Antonyuks Kollegen aus Kiew berichten ebenfalls davon, dass die Lage immer schwerer werde. „In Pokrowsk wurde sogar Streumunition von russischer Seite eingesetzt, wie von Dr. Andrii Surzhenko, Dekan der Fakultät für Maschinenbau, Elektrotechnik und Verfahrenstechnik, berichtet wurde“, erzählt Antonuyk weiter.
Trotz dieser schwierigen Bedingungen wollen die Hochschulen bald den digitalen Lehrbetrieb aufnehmen, um den Kontakt zu den Studentinnen und Studenten aufrechtzuerhalten. Ein regulärer Betrieb mit Präsenzunterreicht sei unmöglich, da bereits Gebäude der Universitäten beschossen wurden..
Der nächste Austausch war für den Sommer geplant. „Aber es macht keinen Sinn, solange zu warten. Ich habe die Studierenden, aber auch andere Beschäftigte daher für jetzt eingeladen“, sagt Antonyuk. Wer kommt, weiß er noch nicht genau. „Es werden wohl nur Frauen kommen, da die Männer nicht mehr ausreisen dürfen.“ Unterkünfte für die Ankömmlinge hat er bereits gefunden. Wie lange sie bleiben werden, sei noch unklar. Aber wenn die Stipendien ausgelaufen seien, werde es Lösungen geben.
In Kaiserslautern eingetroffen sind mittlerweile Dr. Olga Aleksieieva von der Nationalen Technischen Universität Donezk mit ihrer Tochter, die ihr Studium an der TU Kiew abgeschlossen hat und in Kiew lebte. Außerdem konnte Professor Dr. Oleksandr Hondliakh aufgrund seines Alters die Ukraine verlassen. Er ist mit seiner Frau ebenfalls hierhergekommen.
„Viele Menschen in der Ukraine glauben an die Widerstandskraft “, sagt der Professor. Wie lange der Krieg in seiner Heimat weitergeht, lässt sich schwer sagen. Antonyuk kümmert sich nun darum, Wohnungen für Menschen aus der Ukraine zu finden, die in der Westpfalz ankommen.
Zum Foto:
Dr. Olga Aleksieieva (links) ist mit ihrer Tochter in Deutschland. Professor Antonyuk hat sich für die beiden um eine Unterkunft bemüht. Foto: TUK/Koziel