
Vom Uni-Gebäude zu Es’hail 2 - und wieder zurück zur Erde
An der TU Kaiserslautern tüftelt und bastelt die Amateurfunkforschungsgruppe (AFG). Das neueste Projekt ist die Entwicklung und Inbetriebnahme einer Bodenstation für den interkontinentalen Satellitenfunk über Es‘hail 2. Das Besondere: Mit ihrer selbst gebauten Technik kann die Hochschulgruppe Kontakt zu weiten Teilen der Erde aufnehmen – und das jederzeit.
„Seek you“ ist möglicherweise das Erste, was man von der Amateurfunkforschungsgruppe (AFG) der TUK hört. Nämlich dann, wenn man am anderen Ende einer Satelliten-Verbindung sitzt, vielleicht Hunderte oder Tausende Kilometer weit entfernt ist. Der englische Ausdruck „Seek you“, heißt auf Deutsch so viel wie „Ich suche Dich“. Genau genommen seien es die Buchstaben „CQ“ ausgesprochen, erklärt Dr.-Ing. Matthias Jung, der selbst Mitglied der funkenden Hochschulgruppe ist. „Mit diesen Worten suchen wir über unsere Anlage nach einem Erstkontakt.“ Meldet sich ein Gesprächspartner oder eine Gesprächspartnerin, dann werden jeweils die Rufzeichen ausgetauscht, beschreibt Jung das weitere Vorgehen. Die Uni Kaiserslautern habe hier einen international eindeutigen Erkennungscode – „DL0XK“ sei dieser. Und dann werde vielleicht noch über technische Fragen gesprochen: „Man beschäftigt sich damit, wie die jeweils andere Anlage gebaut ist. Wie sie funktioniert.“ Denn Amateurfunk diene immer auch der Selbstausbildung: „Man studiert, wie sich eine Funk-Anlage aufbauen und erfolgreich in Betrieb nehmen lässt.“
Das im Studium erworbene Wissen in die Praxis überführen
Überhaupt gehe es beim Amateurfunk gar nicht mal so sehr darum, möglichst viele Kontakte zu knüpfen – oder mit möglichst vielen Leuten in der Welt zu kommunizieren, ergänzt Matthias Jung: „Die Technik steht im Vordergrund.“ Oder anders gesagt: Studierende verschiedener Fachrichtungen können das anwenden, was sie im Studium gelernt haben. „Amateurfunk bedeutet Erfahrungen sammeln, sich auszutauschen.“ Die AFG kooperiere mit verschiedenen Lehrstühlen an der TUK. „Dadurch besteht bei uns die Möglichkeit, Theorie im Rahmen von Studien- und Abschlussarbeiten in die Praxis umzusetzen“, berichtet Sebastian Schumb, der ebenfalls Mitglied bei der Gruppe ist, weiter.
Von der TUK zum geostationären Satelliten Es’hail 2 - und wieder zurück
Das neueste Forschungsprojekt ist die Entwicklung und Inbetriebnahme einer Bodenstation für den interkontinentalen Satellitenfunk über Es‘hail 2. Die Arbeiten hierzu begannen im Jahr 2019.
Dazu sollte man wissen: Es'hail 2 ist ein Fernsehsatellit in 35.786 km Höhe, der im November 2018 an Bord einer SpaceX Falcon 9-Rakete gestartet wurde. Es ist ein Satellit eines Fernsehanbieters aus Katar. Sebastian Schumb: „Zusätzlich zu den kommerziellen Diensten bietet er Übertragungsmöglichkeiten für den Amateurfunk.“ Das Besondere dabei: „Der Satellit ist geostationär.“ Vereinfacht gesagt also, der Satellit befindet sich immer an der gleichen Stelle. Er dreht sich sozusagen mit der Erde mit. Und genau darin liegt für die Funkamateure der Mehrwert: „Die bisherigen Satelliten, die wir nutzen, drehen sich um die Erde. Wir konnten daher immer nur für kurze Zeitfenster auf sie zugreifen.“ Mit Es‘hail 2 sei dies nun erstmals anders: „Jetzt nutzen wir einen Satelliten, der rund um die Uhr verfügbar ist.“
Antennenanlage auf dem Dach von Gebäude 24 der Uni aufgebaut
Und wie funktioniert die Technik der AFG? „Unsere Bodenstation sendet Funkwellen aus“, versucht es Matthias Jung in einfachen Worten zu erklären, „der Satellit empfängt diese. Und strahlt sie zurück auf die Erde.“ Von Kaiserslautern aus können sie so Kontakt mit weiten Teilen der Erde aufnehmen. Denn der Einzugsbereich des Satelliten sei beachtlich: „Er umfasst Europa, Afrika und Teile von Asien, Südamerika sowie der Antarktis.“ Der von den AFG-Mitgliedern Matthias Jung und M. Sc. Sebastian Schumb entwickelte Sendeempfänger basiert auf moderner Software Defined Radio (SDR) Technologie, bei der die komplette Signalverarbeitung digital in Software stattfindet. Lediglich die analogen Komponenten wie Verstärker und die Antennenanlage auf dem Dach von Gebäude 24 der Uni wurden in Hardware realisiert.
Seit den 1970er-Jahren tüftelt die Gruppe an der TUK
Bereits seit Ende der 1970er-Jahren gibt es die Amateurfunkgruppe an der TUK. Viele Projekte wurden seitdem realisiert: „Auf dem Verwaltungsgebäude 47 haben wir eine Relaisfunkstelle für den Ultrakurzwellenfunk errichtet. Damit kann man Kontakte innerhalb von Kaiserslautern und großen Teilen der Westpfalz herstellen“, sagt Schumb. Das Ganze sei so etwas wie eine Handy-Basisstation: „Das haben wir selbst entwickelt und selbst gebaut.“ Auch haben sie eine Methode entwickelt, mit deren Hilfe sich Wettersonden detektieren lassen: „Diese werden unter anderem für den Deutschen Wetterdienst in Idar-Oberstein gestartet. Irgendwo in Rheinland-Pfalz oder auch weiter weg, kommen sie wieder runter.“ Die etwa 15 Zentimeter großen Wettersonden senden ein digitales Funksignal aus: „Wir können die meteorologischen Daten auswerten, die Sonde orten und sammeln sie an ihrer Landestelle wieder ein“, erzählt Matthias Jung weiter, der nach seinem Informationstechnik-Studium an der TUK – inklusive Promotion – nun in Kaiserslautern am Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE tätig ist.
Auch in einem anderen Projekt ging es für die AFG hoch hinaus: Für Schülerinnen und Schüler des Hohenstaufen-Gymnasiums (HSG) in Kaiserslautern haben sie einen Funkkontakt zur ISS hergestellt. Die internationale Raumstation ist über 400 Kilometer von der Erde entfernt: „Wir haben einen Kontakt zu Alexander Gerst aufgebaut, der zu dieser Zeit auf der ISS war. Die Schülerinnen und Schüler konnten dem Astronauten so Fragen stellen.“ Zuvor hatte die AFG bereits einen Wetterballon – samt selbst entwickelter Wettersonde - gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern des HSG gestartet.
Wissen und Können der Allgemeinheit zur Verfügung stellen
Und wer kann bei den Funkamateuren der TUK mitmachen? „Unsere Gruppe besteht aus Studierenden der Elektrotechnik, der Physik oder der Informatik. Aber auch technische Mitarbeiter der Uni und Professoren engagieren sich bei uns“, erzählt Matthias Jung – und berichtet zugleich vom Selbstverständnis der funkenden Fachleute: „Der Amateurfunkdienst wird von Funkamateuren ohne finanzielle Interessen zu Zwecken der Selbstausbildung, zur Völkerverständigung und für technische Untersuchungen betrieben.“
Funkamateure müssen bei der Bundesnetzagentur eine anspruchsvolle Prüfung ablegen, die sie dazu autorisiert, Sende- und Empfangsanlagen zu entwickeln und zu betreiben. Zudem stehen die Fachleute in Not- und Katastrophenfällen bereit, wie Matthias Jung noch anfügt: „Bei der Flutkatastrophe in den 1960er-Jahren in Hamburg sind alle Kommunikationskanäle ausgefallen. Funkamateure haben dann ihr Wissen, ihr Können und ihr Equipment zur Verfügung gestellt.“ Und auch bei der Flutkatastrophe im Ahrtal haben Funkamateure helfen können.
Reinschnuppern erwünscht: Interessierte sind eingeladen
Die AFG bietet Kurse zum Thema Amateurfunk an und trifft sich regelmäßig in Gebäude 24 Raum 137. „Vor Corona kamen regelmäßig um die 30 Leute zusammen“, erzählt Sebastian Schumb. In der Corona-Zeit sei dies etwas zurückgegangen. Doch das soll sich nun wieder ändern: „Eine gute Möglichkeit zum Reinschnuppern bietet sich montagabends an. Ab 19 Uhr zum gemeinsamen Technikabend.“ Alle, die Interesse am Amateurfunk haben, seien jederzeit herzlich eingeladen.
Kontakt und weitere Informationen:
E-Mail: info@amateurfunk.uni-kl.de
Tel: 0631 205 3130
https://www.amateurfunk.uni-kl.de