
Einsatzbereit bei Starkregen- und Hochwasserereignissen:
Ereignisse wie die Jahrhundertflut 2021 in Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen zeigen auf, wie wichtig ein schnelles und koordiniertes Handeln der Katastrophenschutz-Organisationen vor Ort ist. Auf derartige Situationen können sich Einsatzkräfte der Feuerwehr und des Technischen Hilfswerks (THW) nun besser vorbereiten: Forschende der Fachgebiete Wasserbau und Wasserwirtschaft sowie Siedlungswasserwirtschaft an der TU Kaiserslautern haben ein Bildungsmodul entwickelt, das Fachwissen liefert und methodische Herangehensweisen für die Einsätze trainiert.
„Mit Starkregen- und Hochwasserereignissen beschäftigen wir uns in beiden Fachgebieten schon seit vielen Jahren“, berichtet Prof. Dr. Robert Jüpner, der das Fachgebiet Wasserbau und Wasserwirtschaft an der TUK leitet und seit dem Elbhochwasser 2002 immer wieder selbst Mitglied in Katastrophenstäben war. „Den Impuls, unsere Erfahrung für Bildungsangebote zu nutzen, hat 2018 ein Mitarbeiter der städtischen Feuerwehr gegeben, der bei uns berufsbegleitend seine Masterarbeit zum Thema Gefahrenabwehr geschrieben hat.“
Mike Kopp machte die Forscher darauf aufmerksam, dass der Umgang mit Starkregen- und Hochwasserereignissen nicht systemisch in der Ausbildung von Feuerwehrkräften verankert ist. Mit seiner Masterarbeit schaffte er die Grundlagen, um entsprechende Bildungsangebote zu entwickeln und umzusetzen. Jüpner umreißt die Vision: „Indem wir die Einsatzkräfte der Feuerwehr schulen, wollen wir dazu beitragen, Hochwasserkatastrophen besser bewältigbar zu machen und somit die Folgen für die Gesellschaft abzumildern.“
Lagebewertung und Einsatzplanung im Blick
Mithilfe einer Förderung durch das Bundesministerium für Umwelt (BMU) im Rahmen der Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel gelang es nachfolgend Jüpner und seinem Kollegen Dr.-Ing. Christian Scheid aus der Siedlungswasserwirtschaft, gemeinsam mit der Feuerwehr Kaiserslautern und weiteren Partnern das Bildungsmodul BiWaWehr aufzusetzen. „Der enge Austausch mit Herrn Kopp, das Feedback von Partnerfeuerwehren aus ganz Deutschland sowie der Absolventen in der Erprobungsphase hat uns geholfen, die Inhalte passgenau an die Bedarfe der Feuerwehr anzupassen“, so Scheid.
Das Training BiWaWehr zum Umgang mit wasserbezogenen Gefahren umfasst 14 Unterrichtseinheiten. Insbesondere geht es darum, Einsatzkräften ein solides Grundlagenwissen an die Hand zu geben, damit sie vor Ort die Lage fundiert einschätzen können und entscheidungsfähig sind. Scheid erläutert: „Wir vermitteln beispielsweise Inhalte aus dem Bereich Hochwasserrisikomanagement und Starkregenvorsorge. Damit sensibilisieren wir Teilnehmende für derartige Naturphänomene, welche Ausprägungen sie annehmen und welche Schäden sie hervorrufen können.“ Dabei kommen auch Simulationen zum Einsatz, die aufzeigen, wie sich steigende Pegelstände an Flüssen und Überflutungsbereiche in Städten räumlich und zeitlich auswirken. „Ebenso wichtig ist es, den Mitarbeitern der Feuerwehr Instrumente wie Hochwasser- und Starkregenkarten an die Hand zu geben“, ergänzt der Ingenieur. „So können sie komplexe Einsatzlagen im Rahmen der Technischen Einsatzleitung (TEL) im Zusammenspiel mit anderen Akteuren besser beurteilen und handhaben.“
Das fertige Modul bieten die TUK-Forscher seit 2021 zusammen mit dem Landesfeuerwehrverband Rheinland-Pfalz als festes Weiterbildungsangebot an. Rund 500 Einsatzkräfte von Feuerwehr und THW haben das Training bereits absolviert, das – nicht zuletzt angestoßen durch die Corona-Pandemie – als Onlinekurs angeboten wird.
Auch zivile Einsatzkräfte einbeziehen
Das Bildungsangebot hat sich herumgesprochen. So fließt die Expertise von Jüpner und Scheid über studentische Masterarbeiten inzwischen auch in die Neukonzeption des THW-Lehrgangs „Fachberater Hochwasserschutz und Naturgefahren“. Hierfür konnten sich die Wissenschaftler über das EU-Netzwerk „DAREnet“, das sich mit der Hochwasser-Widerstandsfähigkeit in der Donauregion befasst, eine Projektförderung sichern. „Ziel ist es, bestehende Konzept weiterzuentwickeln und klassische Ausbildungsinhalte mit Einsatz von digitalen Technologien wie etwa Virtual Reality anzureichern“, ergänzt Jüpner.
Ebenso ist die Kaiserslauterer Perspektive im Projekt „KAHR“ (Klima-Anpassung, Hochwasser und Resilienz) gefragt, welches zur wissenschaftlichen Begleitung des Wiederaufbaus nach der Flutkatastrophe 2021 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird. Selina Schaum trägt mit ihrer Masterarbeit etwa dazu bei, ein Bildungsmodul für zivile Kräfte zu entwickeln, die im Katastrophenfall in Verwaltungsstäben aktiv sind. „Wir sehen auch großen Trainingsbedarf in diesem Bereich. Meine Aufgabe ist es nun, die Anforderungen zu erfassen und in entsprechende Unterrichtskonzepte zu übersetzen.“
Nominiert für den Blauen Kompass
Was Jüpner und Scheid als „Alltagsgeschäft“ bezeichnen, ist höchst auszeichnungswürdig: Das Umweltbundesamt kam Anfang des Jahres auf die Forscher zu und hat vorgeschlagen, dass sie sich mit ihrem Bildungsprojekt für die Feuerwehr um den Bundespreis „Blauer Kompass“ bewerben. Dabei handelt es sich um die höchste staatliche Auszeichnung für Projekte zur Anpassung an Klimafolgen. Den ersten Erfolg hat das TUK-Team bereits verbucht: Die Endausscheidung – 20 aus insgesamt 240 Bewerbungen – ist erreicht.
Wer das TUK-Projekt unterstützen möchte: Bis 8. Juni 2022 treten alle 20 nominierten Projekte in einer öffentlichen Online-Abstimmung um den Publikumspreis gegeneinander an. Nachfolgend wird eine Jury vier weitere Gewinner ausloben, die ebenfalls den Bundespreis erhalten.
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Auf dem Bild oben sind zu sehen: (v.l.n.r.) Ralf Rheinheimer, Mitarbeiter in der Personal- und Einsatzplanung der Feuerwehr Kaiserslautern, TUK-Masterstudentin Selina Schaum, Dr.-Ing. Christian Scheid, Leiter des Fachgebiets Siedlungswasserwirtschaft an der TUK und Mike Kopp, Abteilungsleiter Personal- und Einsatzplanung bei der Feuerwehr Kaiserslautern.

Das Weiterbildungsmodul entstand aus einer Zusammenarbeit der Fachgebiete von Prof. Dr. Robert Jüpner (links) und Dr.-Ing. Christian Scheid (rechts), die beide auch aktiv in die BiWaWehr Online-Trainings von Feuerwehr und THW eingebunden sind.

Starkregenereignisse können überall auftreten. In Kaiserslautern hielt beispielsweise 2018 ein solches Unwetter die Feuerwehr und weitere Einsatzkräfte stundenlang in Atem.

am 18.05.2022 von
Julia Reichelt