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Medikamente aus der Petrischale
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Kaiserslauterer iGEM-Team nutzt Leishmanien als „Proteinproduzenten“

Leishmanien, einzellige Parasiten, sind zumeist als Erreger der Leishmaniose bekannt – einer Krankheit, die vor allem in den Tropen und im Mittelmeerraum verbreitet ist. Darüber hinaus sind die winzigen Organismen aber auch in der Lage, funktionelle menschliche Proteine herzustellen. Diese Fähigkeit macht sich das diesjährige iGEM-Team an der TU Kaiserslautern (TUK) zunutze, um quasi in der Petrischale medizinisch relevante biologische Makromoleküle zu synthetisieren. Der Clou: Mithilfe eines biotechnologischen Baukastens lässt sich das für die Produktion erforderliche Genkonstrukt in wenigen Schritten zusammenbauen, ähnlich einem Bausatz aus Legosteinen.

Von Unispectrum live • Julia Reichelt

iGEM ist ein internationaler Wettbewerb, der sich an Studierenden richtet und ihnen eine Plattform bietet, um mithilfe der Synthetischen Biologie Lösungen für die allgegenwärtigen Herausforderungen in der Welt zu entwickeln. Julia Spänle und Benjamin Ziehmer erläutern, stellvertretend für das insgesamt neunköpfige iGEM-Team, ihren Projektbeitrag: „Wir haben uns zunächst überlegt, an welche aktuelle Forschungsthemen an der TUK wir anknüpfen können. So kam uns die Idee, die Erfahrung von Professor Marcel Deponte mit Leishmanien und die Expertise von Professor Michael Schroda in der Systembiologie zusammenzuführen.“

Im Fokus: Das Spike-Protein von Sars-CoV-2
Ziehmer, der im Rahmen des Projekts mit einem Stamm von ungefährlichen „entfernten Verwandten“ der Parasiten arbeitet, fährt fort: „Von den Leishmanien wissen wir, dass sie in der Lage sind, die Glykosylierung, einen entscheidenden Schritt in der Proteinbiosynthese, ähnlich wie beim Menschen durchzuführen. Dadurch sind die Protozoen interessant für die pharmazeutische Forschung.“ Seine Teamkollegin Spänle ist in der Projektgruppe aktiv, welche per Modular Cloning am zugehörigen biotechnologischen Baukasten arbeitet: „Wir entwickeln eine Bibliothek aus Genteilen, die bestimmte Funktionen bei der Proteinsynthese steuern“, so die Biologiestudentin. „Alle Teile lassen sich über standardisierte Verbindung individuell, wie Legosteine, zusammenfügen. In die so entstehenden ringförmigen DNA-Stücke bzw. Plasmiden fügen wir auch das Protein ein, welches die Leishmanien herstellen sollen und übergeben diesen Produktionsansatz an das Leishmanien-Team.“ 

Der Mehrwert am Gesamtsystem: Den modularen Ansatz können andere Forschungsteams letztlich nutzen, um mithilfe Leishmanien schneller und einfacher medizinisch relevante Proteine zu produzieren. Als Forschungsobjekt hat sich das iGEM-Team das Spike-Protein des Coronavirus Sars-CoV-2 ausgesucht. Dessen große Rezeptorbindedomäne sollen die Leishmanien anhand der genetischen Information künftig exprimieren können. Sprich, mit dem Gesamtsystem lassen sich unter anderem auch die Grundlagen für Impfstoffe erforschen.

Herausforderungen sind Chancen
In guter Tradition ist das Team bereits die dritte Gruppe an der TUK, die ihr im Studium erworbenes Fachwissen in einem komplett eigenständig durchgeführten iGEM-Forschungsprojekt anwendet und erweitert. Wie bei den anderen Teams auch gab es anfangs die eine oder andere Herausforderung, der sich die neun Studierenden erfolgreich gestellt haben. „Zum Beispiel mussten wir alle nötigen Forschungsmaterialien wie beispielsweise die Nährmedien für die Leishmanien selbst ansetzen und unsere Versuchsabläufe von Grund auf eigenständig planen – anders als in bisherigen Praktika, wo wir Starthilfe in Form von Anleitungen und Materialien bekamen“, sagt Ziehmer. Ebenso neu waren die Bereiche Marketing, Öffentlichkeitsarbeit und Sponsoring, generell die Kommunikation im und rund um das Projekt. Mittlerweile hat sich ein guter Austausch innerhalb des Teams und mit den Betreuer*innen etabliert, die externe Kommunikation läuft ebenso. Neben Social-Media-Kommunikation, dem Podcast ‚GENOMgenommen‘ bis hin zu durchgeführten Veranstaltungen wie einem Science Slam hat das Team unter anderem auch im Rahmen von Schulvorträgen die Forscher*innen von morgen für die Thematik begeistert. Die gesammelte Labor- und Kommunikationserfahrung, die sie im Studium nicht in dieser Tiefe erhalten, bewerten die Studierenden auch einstimmig als Pluspunkt ihrer iGEM-Teilnahme.

Die Arbeiten im Labor laufen nun seit Februar. Dabei hat das Team stets einen festen Termin im Blick: Im November stehen die Abschlusspräsentation und das Wettbewerbsfinale mit Preisvergabe an. Leider erneut nur virtuell – die Reise nach Paris, wo die iGEM-Organisation seit Kurzem ihren Sitz hat, entfällt Pandemie-bedingt. Eines ist jetzt schon klar: Das Kaiserslauterer Team will wieder überzeugen und an die sehr guten Leistungen seiner Vorgänger*innen anknüpfen. Deswegen stecken die Studierenden gerade jede freie Minute ins Projekt. Gut betreut sind sie dabei von den Doktoranden Justus Niemeyer und Anna Probst, beide aus der Arbeitsgruppe von Schroda sowie Luzia Schneider und Sophie Möhring aus der Arbeitsgruppe von Deponte und Nora Georgiev und Christina Huber aus der Arbeitsgruppe von Frankenberg-Dinkel. 

Bild des Benutzers Melanie Löw
Erstellt
am 19.08.2021 von
Melanie Löw

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