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Unternehmenssteuer in Europa:
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Je größer der Wettbewerb, desto größer die Reform

Der Kaiserslauterer Juniorprofessor Dr. Georg Wenzelburger hat untersucht, wie europäische Länder Unternehmen besteuern. Das Fazit: Je größer der Wettbewerbsruck zwischen den Ländern, desto umfangreicher sind die Steuerreformen. Mit dieser Studie hat er kürzlich den zweiten Platz des renommierten Fritz-Thyssen-Preises belegt.

Von Unispectrum live • Melanie Löw

Weltweitagierende Unternehmen haben meist Niederlassungen in verschiedenen Ländern: Häufig nutzen Sie diese Unternehmensstruktur, um weniger Steuern zu zahlen: Sie verschieben ihre Gewinne in Länder mit einer niedrigen Unternehmenssteuer und verrechnen ihre Verluste in den Staaten mit höheren Abgaben. Wie sich ein solcher internationaler Steuerwettbewerb auf Reformen der Unternehmenssteuern in europäischen Ländern niederschlägt, hat Juniorprofessor Georg Wenzelburger (Politikwissenschaft III – Politische Ökonomie/Global Governance) von der TU Kaiserslautern gemeinsam mit seinem Forscherkollegen Alexander von Kulessa im Detail untersucht.

„Wir haben uns hierbei bei elf europäischen Ländern in den Jahren von 1998 bis 2011 verschiedene Indikatoren genauer angesehen, die für die Unternehmensbesteuerung relevant sind“, sagt Wenzelburger. „Dazu zählen unter anderem maximale Sätze bei der Körperschaftssteuer und national spezifische Abgaben, wie zum Beispiel die Gewerbesteuer in Deutschland.“ Für ihre Studie haben die Wissenschaftler die Steuerreformen in den elf untersuchten Ländern in drei Kategorien eingeteilt: gar keine Steuerreform, eine moderate Steuerreform oder eine starke Steuerreform durchgeführt. „Große Reformen gab es zum Beispiel in Deutschland; hier sank der Steuersatz für Unternehmen von 45 Prozent im Jahr 1998 auf den heutigen von 15 Prozent. Auch Österreich und Belgien haben ihre Steuern gesenkt“, nennt der Professor als Beispiel. „Bei den Franzosen hingegen ist der Spitzensteuersatz in den vergangenen Jahren konstant bei rund 33 Prozent geblieben.“

Irland ist das Land, das in den vergangenen Jahren in Sachen Steuerpolitik die meisten Maßnahmen umgesetzt hat. „Es hat für Unternehmen den Spitzensteuersatz deutlich gesenkt. In der Folge haben sich zahlreiche große Unternehmen auf der Insel angesiedelt, beispielsweise der Technologiekonzern IBM“, berichtet er. Durch diese Steuerpolitik entsteht zwischen den europäischen Ländern ein Wettbewerb. „Die Länder stehen unter Druck“, so Wenzelburger weiter. „Unternehmen schielen dabei schon einmal ins Nachbarland und schauen, welche Abgaben sie dort zu zahlen hätten.“

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Je höher der Druck, desto größer das Ausmaß der Reform.

Juniorprofessor Georg Wenzelburger

In ihrer Studie haben die Wissenschaftler nun belegen können, dass dieser Wettbewerbsdruck dazu führt, dass Regierungen in ihren Ländern tatsächlich mit höherer Wahrscheinlichkeit Steuerreformen durchführen. „Je höher der Druck, desto größer das Ausmaß der Reform“, fasst der Professor die Ergebnisse zusammen. Das Team um Wenzelburger konnte sogar einen kleinen Parteieneffekt ausmachen. „Es kam vor allem unter der Regierung von konservativen Parteien zu Steuersenkungen. Der Effekt der parteipolitischen Ausrichtung ist allerdings nicht besonders stark“, sagt er. Letztlich hängen diese Reformen auch vom politischen System des jeweiligen Landes ab. „Es kommt darauf an, wie viele Vetospieler es gibt“, erklärt Wenzelburger. In Deutschland seien solche Reformen beispielsweise ohne den Bundesrat häufig nicht umsetzbar. Und zudem hat auch das Bundesverfassungsgericht einen gewissen Einfluss auf die Steuerpolitik. Dass sich diese Reformspirale immer weiter dreht, ist allerdings nicht zu befürchten. „Staaten sind auf ihre Einnahmen angewiesen, um etwa eine stabile Infrastruktur zu gewährleisten oder öffentliche Einrichtungen am Laufen zu halten. Man kann also nur bis zu einem gewissen Punkt auf Steuereinnahmen verzichten“, so Wenzelburger.

Mit ihrer Arbeit „Starker Steuerwettbewerb – starke Reformen?", der in der renommierten Fachzeitschrift Swiss Political Science Review veröffentlicht wurde, haben die Politikwissenschaftler kürzlich den zweiten Platz des Fritz-Thyssen-Preises belegt. Der Preis wird jedes Jahr für die drei besten sozialwissenschaftlichen Aufsätze in deutscher Sprache verliehen. Herausgeber und Redakteure von 16 Fachzeitschriften schlagen dabei jeweils einen Aufsatz vor – die eingereichten Aufsätze werden dann von einer unabhängigen Jury bewertet.

 

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Erstellt
am 02.09.2016 von
Melanie Löw