© Thomas Koziel
Mentales Training im Sport
6153 Views | 0 Notes
Einfach die Nerven behalten

Die Sportwissenschaftlerin Claudia Reidick forscht an der TUK daran, wie mentales Training hilft, in stressigen Situation einen kühlen Kopf zu bewahren. Die Expertin für Sportpsychologie betreut zudem die U17 Handballnationalmannschaft der Damen, die vor Kurzem Europameister geworden ist.

Von Unispectrum live

Wer kennt es nicht: Seine Leistung in Prüfungssituationen abzurufen, ist nicht immer möglich. Plötzlich treten Zweifel und Ängste auf, man vergisst das Gelernte. Die Nerven versagen. Auch Sportlern geht es in Wettkampf bisweilen so: Der Fußballer scheitert etwa vor dem freien Tor, der Sprinter verursacht einen Fehlstart oder der Hochspringer reißt die Latte beim ersten Versuch.

Wie aber in diesen Situationen einen kühlen Kopf bewahren? Damit beschäftigt sich Claudia Reidick an der TUK. Die Sportwissenschaftlerin ist Expertin für Sportpsychologie. Sie lehrt und forscht auf dem Campus. Darüber hinaus betreut sie die U17 Handballnationalmannschaft der Damen. Erst im August hat sie das Team zur Europameisterschaft in die Slowakei begleitet. „Das ist für mich eine tolle Gelegenheit, Theorie und Praxis zu verbinden. In Vorlesungen und Seminaren kann ich Einblick in die praktische Arbeit geben“, erzählt Reidick, die früher selbst Leistungssportlerin gewesen ist und als Hürdenläuferin unter anderem 1988 bei den Olympischen Spielen in Seoul eine Bronzemedaille gewonnen hat.

Gemeinsam mit Physiotherapeuten, Trainern und Medizinern gehört sie zum Team hinter dem Team, das die Mannschaft möglichst ideal auf das nächste Spiel vorbereitet. Und dabei spielt nicht nur die körperliche Fitness eine wichtige Rolle, sondern auch die Psyche. „Nach einer Niederlage sollten Sportler diese zum Beispiel schnell abhaken und sich auf das nächste Spiel konzentrieren“, sagt Reidick. Um den eigenen Kopf frei von solchen Belastungen zu bekommen, gibt es verschiedene Verfahren wie etwa Entspannungstechniken. „Ähnlich wie beim körperlichen Training gilt es hier regelmäßig zu üben“, sagt sie weiter. „Die Techniken müssen einstudiert werden, damit man sie in bestimmten Situationen direkt abrufen kann.“ Dabei gilt auch, dass jeder für sich selbst feststellen muss, was ihm zum Beispiel hilft, durch stressige Situationen zu kommen.

Aber Reidick hat nicht nur das seelische Wohl der einzelnen Spielerinnen im Blick, sondern auch das der Mannschaft. Gerade für ein Turnier sei es wichtig, das Gemeinschafts- und Team-Gefühl zu stärken. Schon ein Jahr vor der Europameisterschaft gingen die Vorbereitungen los. „In Workshops haben wir zum Beispiel die Rollen der einzelnen im Team herausgearbeitet. Jeder hat seine Aufgabe, ganz gleich ob auf dem Spielfeld oder auf der Bank.“

Auch mussten die Spielerinnen darauf vorbereitet werden, dass ein Turnier anders abläuft als der Spielbetrieb in der Bundesliga. „Normalerweise sind sie es gewohnt, an den Wochenenden zu spielen. Bei der EM mussten sie aber jeden Tag antreten.“ Das ist schon eine Umstellung – sowohl für den Körper als auch für die Seele. Darauf müssen sich die Spielerinnen einstellen. Das Gleiche gilt für eine Niederlage, die sofort abgehakt werden muss, um den Blick nach vorne zu richten. „Das ist alles eine Frage des Trainings und reine Kopfsache“, fährt sie fort. „Es gibt Vermutungen, dass der sportliche Erfolg zu 80 Prozent an der mentalen Einstellungen liegt.“

Mit solchen Mentaltechniken können Sportler gezielt lernen, mit Druck umzugehen, aber auch bei und besonderen Situationen die Kontrolle zu behalten, etwa bei Umgang mit den Medien. „Gerade die Sozialen Medien haben hier enormen Einfluss. Es ist aber wichtig, sich auf seinen Alltag zu konzentrieren und sich nicht von Medienanfragen oder Meldungen in den sozialen Netzwerken ablenken zu lassen“, so die Forscherin weiter.

Die Arbeit von Reidick und dem Team hat sich ausbezahlt: Die Mannschaft konnte sich beim Turnier durchsetzen. Im Finale siegte sie schließlich gegen Norwegen mit 23 zu 18 und sicherte sich verdient EM-Gold. Die Spielerinnen haben die Nerven behalten – was auch ein Verdienst ihrer Mentaltrainerin war.

Bild des Benutzers Melanie Löw
Erstellt
am 07.11.2017 von
Melanie Löw