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Dolmetscher zwischen Forschung und Behörden
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Vom Maschinenbau-Student zum Patentanwalt

„Während meines Studiums habe ich überhaupt nicht daran gedacht, Patentanwalt zu werden“, sagt TU-Absolvent Dr.-Ing. Thomas Hocker. Heute ist der Maschinenbauingenieur froh, dass ihn sein Weg in die Welt der Regeln und Gesetze geführt hat.

Von Unispectrum live • Christine Pauli

Bei seinem Arbeitgeber sei er vor allem beratend tätig, sagt Patentanwalt Dr.-Ing. Thomas Hocker über seinen Berufsalltag: „Aus Sicht unseres Unternehmens schaue ich mir an, ob wir das, was wir planen, auch tatsächlich bauen dürfen oder ob wir durch Patente unserer Wettbewerber daran gehindert werden.“ Bei der profine GmbH in Pirmasens ist er angestellt. Ein Unternehmen, das weltweit Kunststoffprofile für Fenster und Haustüren, Sichtschutz-Systeme und PVC-Platten produziert. Er kümmert sich um alle Patent-Angelegenheiten des Unternehmens, verpackt Neu-Entwicklung in eine gesetzeskonforme Sprache. Und bespricht mit den beteiligten Abteilungen, was es bei Entwicklungen zu berücksichtigen gilt: „Manchmal muss man, um Patente anderer Firmen nicht zu verletzten, eine Umgehungslösung ausarbeiten.“ Was könnte das heißen? „Vereinfacht gesagt, nimmt man drei Schrauben, weil vier Schrauben, wie ursprünglich geplant, ein anderes Patent tangieren.“

Alle zwei bis vier Wochen gibt er seinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Bereich Forschung und Entwicklung zudem einen Überblick, „was die Konkurrenz so alles macht“. Welche Patentanträge von anderen auf den Weg gebracht wurden. „Wir entwickeln dann gemeinsam eine Strategie, wie wir uns hinsichtlich unserer eigenen Entwicklungen absichern. Und wenn uns ein Patent eines Wettbewerbers einschränken sollte, prüfen wir, ob wir Einspruch einlegen können.“ Seine Aufgabe sei es auch, die Inhalte einer Patentschrift in die Sprache der Ingenieurinnen und Ingenieure zu übersetzen: „Ich vereinfache dabei viele Dinge.“ Überhaupt sei er als Patentanwalt eine Art Dolmetscher, der sowohl in der Welt von Forschungsabteilungen als auch in der von Gerichten und Ämtern zu Hause ist. Die Ausdrucks- und Denkweisen beider Seiten sei nicht immer eins zu eins kompatibel, schmunzelt Thomas Hocker. Er müsse beides zusammen bringen.

In seiner Doktorarbeit ging es um Heizungsgeräte, Gasmischungen – und letztendlich auch um Patente

„Während meines Studiums habe ich überhaupt nicht daran gedacht, Patentanwalt zu werden“, berichtet der Mittfünfziger rückblickend. Im Wintersemester 1983/ 84 habe er sein Maschinenbau-Studium an der Universität in Kaiserslautern aufgenommen. Nach dem Diplom-Abschluss war er ab 1991 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Konstruktion im Maschinen- und Apparatebau bei Prof. Dr.-Ing. Dieter Wüstenberg. „Im Jahr 1996 habe ich dort dann promoviert.“ Inhaltlich ging es in seiner Doktorarbeit um Heizungsgeräte und deren Schadstoffbildung im Betrieb bei unterschiedlicher Brenngaszusammensetzung. „Erdgas aus unterschiedlichen Quellen hat unterschiedliche Eigenschaften.“ Bereits während dieser wissenschaftlichen Tätigkeit musste er häufig Patent-Literatur zum Thema wälzen. „Ich wollte ja wissen, wie andere das machen.“

Nach seinem Studium ging er als promovierter Ingenieur zunächst zu einem Heizungsbauunternehmen. „Dort war ich an vielen Entwicklungen beteiligt, auch an etwa 30 Patenten.“ Der Leiter der dortigen Patentabteilung ging zu jener Zeit in den Ruhestand. „Mir wurde diese Tätigkeit dann überraschenderweise angeboten. Ich habe es dann einfach probiert.“ An der Schnittstelle von Forschung und Gesetzestexten fand er schnell  Gefallen: "Der Appetit kam sozusagen beim Essen.“

Zusätzliche Ausbildung als europäischer und deutscher Patentanwalt

Und welche Eigenschaften muss ein Patentanwalt oder eine Patentanwältin mitbringen? „Bei der Ausarbeitung von Patenten muss man sehr penibel sein“, sagt Thomas Hocker. Alles werde dort sehr exakt formuliert. „Man beschreibt einen Schritt nach dem anderen. Und nicht drei auf einmal.“ Insgesamt müsse man gut analysieren können, bei der Darstellung von Details durchaus kreativ sein, sich dabei aber auch an Regeln halten.

Thomas Hocker kennt die Regeln genau: Als European Patent Attorney, mit entsprechender Zusatzausbildung des Instituts CEIPI der Universität Straßburg, ist er als Vertreter beim europäischen Patentamt zugelassen. „Die dazugehörige Prüfung ist sehr anspruchsvoll. Etwa 60 Prozent der Teilnehmenden fallen durch.“ Anschließend absolvierte er an der Fernuni in Hagen das Studium für die Ausbildung zum deutschen Patentanwalt. Was sind die Unterschiede? „Als europäischer Patentanwalt lernt man eher lösungsorientiert an eine Sache heranzugehen. Die Prüfung zum deutschen Patentanwalt diskutiert mehr einen Fall. Arbeitet Pro und Contra heraus.“ Beide Sichtweisen seien interessant und Bestandteil seiner alltäglichen Arbeit.

Neben seiner Angestellten-Tätigkeit hat Thomas Hocker in seiner Heimatstadt Neustadt an der Weinstraße eine eigene Kanzlei angemeldet: „Das läuft nebenbei am Wochenende mit. Allein davon könnte ich nicht leben.“ Doch so bleibe er auf dem Laufenden, setze sich mit den unterschiedlichsten Fällen im Patent- und Markenrecht auseinander. Kleinere Unternehmen nehmen seine Dienstleistungen beispielsweise in Anspruch: „Es geht mitunter darum, dass jemand gutgläubig eine Bezeichnung für ein Produkt benutzt, die sich ein anderes Unternehmen bereits als Marke hat schützen lassen.“ Einige meinen, es reiche aus, bei Rechtsfragen „Dr. Google“ zu fragen, meint er. „Doch das kann am Ende teurer werden, als wenn man gleich in einen Patentanwalt investiert hätte. Selbst 1.000 Euro für einen Anwalt sind meist billiger als ein drohendes Verletzungsverfahren vor einem Gericht.“

„Maschinenbau ist angewandte Naturwissenschaft“

Doch noch mal zurück zu seiner Zeit an der Uni in Kaiserslautern. Warum hatte er sich damals eigentlich für ein Maschinenbau-Studium entschieden? "Mein Patenonkel brachte mich auf die Idee", lacht Thomas Hocker. „Physik hat mir schon immer Riesenspaß gemacht. Mein Patenonkel meinte, Maschinenbau sei angewandte Naturwissenschaft. Und genau damit hatte er recht.“ Warum ist die Wahl des Studienortes auf Kaiserslautern gefallen? „Die Kompaktheit des Campus hat mich angesprochen. Dass alles so dicht zusammen liegt. Bereits während meiner Schulzeit war ich einige Male dort in der Bibliothek, habe den Campus kennengelernt.“

Während seiner Promotionszeit wiederum habe er es sehr geschätzt, sich auch mit Professorinnen und Professoren anderer Fachbereiche austauschen zu können – ein Mehrwert: „Das ist, soweit ich das aus meinem Bekanntenkreis mitbekommen habe, an anderen Unis nicht üblich.“ Überhaupt sei die Doktorandenphase eine tolle Zeit gewesen: „Unter den Leuten bei uns am Lehrstuhl herrschte ein riesiger Zusammenhalt. Wir treffen uns noch heute regelmäßig. Die Exkursionen, die wir damals gemeinsam unternommen haben, das war großartig. Und zum 80. Geburtstag von Professor Wüstenberg waren wir alle eingeladen.“

Praktika während des Studiums bieten Einblicke in das Tagesgeschäft

Welchen Tipp kann der Alumnus zukünftigen Absolventinnen und Absolventen mit auf den Weg geben? „Macht Praktika. Das eigentliche Tagesgeschäft eines Ingenieurs oder einer Ingenieurin kriegt man während des Studiums nämlich nicht mit.“ Er selbst habe während des Studiums als Werkstudent gearbeitet. Und – angesichts seines großen Erfahrungsschatzes ergänzt er: „Je älter man wird und umso mehr Berufserfahrung man hat, umso mehr erkennt man, was die eigentlichen Erfolgsfaktoren sind.“ Denn nur gute Ideen zu haben reiche nicht aus: „Man muss auch Kompromisse eingehen können.“ So gebe es im Berufsleben nicht die beste Lösung. „Im Studium beschäftigt man sich vielleicht damit, mit welcher Geschwindigkeit ein Apfel, der drei Meter vom Baum fällt, unten am Boden ankommt. Hier ist die Lösung eindeutig. Im Berufsleben später erlebt man das so nicht mehr." Es gebe nun mal nicht das beste Auto: "Es gibt Komponenten, die für die eine oder die andere Anwendung relevant sind." Bei der Entwicklungsarbeit müsse man immer wieder Mittelwege auslosten. Als Patentanwalt begleitet er solche Wege – von der Idee zum fertigen Produkt. „Und das ist unheimlich spannend und sehr abwechslungsreich.“

Bild des Benutzers Julia Reichelt
Erstellt
am 19.12.2022 von
Julia Reichelt