
Als erste Deutsche möchte Jovana Džalto in den Weltraum fliegen. Dazu muss sich die Doktorandin der TU Kaiserslautern derzeit bei einem Astronautinnen-Casting gegen weitere 85 Kandidatinnen durchsetzen. Zwei der Bewerberinnen erhalten eine Astronautenausbildung. Eine von ihnen soll bis 2020 ins All fliegen.
In rund 400 Kilometer Höhe zieht sie ihre Bahnen: Die Internationale Raumstation (ISS). Der Blick von hier hinunter auf die Erde ist wohl einmalig. Diese Aussicht eines Tages zu genießen und ins All zu reisen – davon träumt Jovana Džalto schon seit Kindheitstagen. Dabei stehen die Chancen, dass ihr Wunsch eines Tages wahr wird, nicht schlecht.
Seit Anfang des Jahres wird sie gesucht: Deutschlands erste Astronautin. Als Džalto den Aufruf von Claudia Kessler, Initiatorin des Projektes und Geschäftsführerin von HE Space, einem privaten Personaldienstleister für Raumfahrttechnik, gelesen hatte, musste sie nicht lange überlegen.
Doch der Reihe nach: Auf die Idee sich zu bewerben, hatte sie vor ein paar Jahren eine Kollegin gebracht. „Als der Raumfahrer Alexander Gerst auf der ISS war, habe ich ihn in den sozialen Medien verfolgt und meinen Kollegen ständig davon erzählt“, erinnert sie sich. „Meine Kollegin meinte schließlich, bewirb Dich doch, das kannst Du auch.“ Lächelnd schiebt sie hinterher: „Sie war wohl etwas genervt von mir.“
Von alleine wäre Džalto nie auf die Idee gekommen. „Ins All fliegen doch nur nervenstarke Supermänner, die sehr sportlich und extrem intelligent sind. Nicht normale Mädchen wie ich.“ Doch der Gedanke ließ sie nicht mehr los. Sie wollte ihren langgehegten Kindheitstraum in die Tat umsetzen. Im Internet machte sie sich kundig, suchte nach geplanten Missionen und Bewerbungsmöglichkeiten. Schließlich wurde sie fündig.
Rund 400 Frauen haben sich für die Mission beworben. Voraussetzung für die Bewerbung waren unter anderem ein sehr guter Studienabschluss in einem technischen oder naturwissenschaftlichen Fach, Erfahrung im wissenschaftlichen Arbeiten, Kommunikationsstärke, gute körperliche Kondition und eine Pilotenlizenz. Dass Džalto die erste Runde des Bewerbungsverfahrens überstanden hat, ist für sie wie ein wahrgewordenes Märchen. „Das ist Wahnsinn“, sagt die zierliche Frau mit leuchtenden Augen. „Meine Bewerbung möchte ich nun auch nutzen, um bei jungen Mädchen das Interesse für Technik zu wecken und ihnen zu zeigen, dass alles möglich ist, wenn man es nur will und für seine Ziele kämpft.“ Džalto weiß, wovon sie spricht. Geboren wurde sie in Bosnien, im damaligen Jugoslawien. Als dort der Krieg ausbrach, floh sie als Kind mit ihrer Familie nach Deutschland. Sie konnten hier aber nicht Fuß fassen und kehrten zurück nach Serbien, um der alten Heimat näher zu sein, mussten aber erneut fliehen. Wieder nach Deutschland. Diesmal in die Eiffel, wo die junge Frau schließlich eine neue Heimat und Freunde fand. „Ich habe mich wohlgefühlt und die Sprache schnell gelernt.“
Steiniger Studienbeginn
Nach dem Abitur wollte sie Maschinenbau studieren. „Für Technik habe ich mich schon immer interessiert“, sagt sie. „Fächer wie Mathe und Physik, bei denen man sich viel herleiten kann und nicht viel auswendig lernen muss, haben mir immer schon gelegen.“ In Frage kam für sie nur die TU Kaiserslautern. Während eines Schülerinnentags an der TU hatte sie bereits erste Uni-Luft geschnuppert und Gefallen an der Forschung gefunden. „Die Lage direkt am Wald ist einfach klasse. Außerdem ist es eine reine Campus-Uni. Alles ist nah zusammen. Das hat mir direkt zugesagt.“ Doch die erste Zeit im Studium – weg von Zuhause – war schwer. „Ich habe zunächst keinen Anschluss gefunden“, erinnert sie sich. „Maschinenbau haben nur wenige Frauen studiert, die meisten davon haben schnell das Fach gewechselt. Meine Kommilitonen hatten eigene Lerngruppen und haben mich nicht eingeladen.“ Džalto gibt nicht auf, boxt sich durch, knüpft Kontakte und schließt ihr Studium mit sehr guten Noten ab.
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Ich teste mich gerne selbst und stelle mir neue Herausforderungen.
Jovana Džalto
Heute, vier Jahre später, promoviert die Ingenieurin bei Professor Dr. Peter Mitschang am Institut für Verbundwerkstoffe. „Die Arbeit macht mir großen Spaß, nach Astronautin ist das der beste Job der Welt“, so die 31-Jährige mit einem Augenzwinkern. „Das Team ist sehr nett und hilfsbereit. Auch bei meiner Bewerbung habe ich große Unterstützung erfahren.“ In ihrer Doktorarbeit beschäftigt sie sich mit einem Thema, das ihr auch sehr am Herzen liegt: der Nachhaltigkeit. Sie forscht daran, wie nachwachsende Rohstoffe bei der Produktion von Automobilen kostengünstig zum Einsatz kommen können.
Viel Arbeit, wenig Schlaf
Nun stehen die nächsten Runden im Auswahlverfahren an: Im November und Dezember geht es für kognitive und psychologische Eignungstests zum Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Hamburg und Köln. Es gilt Nervenstärke, räumliches Vorstellungs- und Reaktionsvermögen unter Beweis zu stellen. Im Anschluss folgt ein medizinischer Check. Dann gibt das DLR seine Empfehlung ab.
„An viel Schlaf ist derzeit nicht zu denken“, sagt sie und lacht dabei. Džalto versucht alles unter einen Hut zu bringen: sich auf die Tests vorzubereiten, ihre Doktorarbeit nicht zu vernachlässigen, ihre Studenten zu betreuen, weiter an ihrer Fitness und Kondition zu arbeiten und auch Anfragen von Medien zu beantworten. Doch wenn man ihr zuhört, mit welcher Begeisterung sie von ihrer Bewerbung, aber auch von ihrer Arbeit spricht, wird schnell klar, warum sie es bei diesem Casting so weit gebracht hat. Die 1,60 Meter große Forscherin ist neugierig und willensstark – sie hat Biss und weiß sich durchzusetzen. „Ich teste mich gerne selbst und stelle mir neue Herausforderungen.“
Vor ein paar Jahren hat sie mit dem Segelfliegen angefangen und einen Flugschein gemacht. Sie betreibt einen eigenen Blog für das Segelfliegen, um Mädchen und Frauen für ihren Sport zu begeistern. Um sich wie eine Astronautin zu fühlen, hatte sich Džalto außerdem für eine Studie beim DLR beworben. „Es ging damals darum, wie sich Hirnströme während zwei 15-minütgen Fahrten in einer Zentrifuge verändern“, erzählt die Hobbyfliegerin. Damit trainieren Raumfahrer Kräfte auszuhalten, die dreimal stärker sind als die Schwerkraft. Auch diese Herausforderung hat sie souverän gemeistert – und dabei gezeigt, dass sie extremen körperlichen Belastungen standhalten kann. „Ein Arzt hat mir gesagt, dass alle meine körperlichen Werte während der Fahrt und im Anschluss hervorragend gewesen seien“, erinnert sie sich.
Anfang des nächsten Jahres möchte Džalto ihre Promotion abschließen. Zeit für neue Aufgaben hätte sie somit. 2017 wird eine Auswahlkommission, aufbauend auf den Vorschlägen des DLR, die beiden Finalistinnen bekannt geben. Für die Mission sucht HE Space derzeit noch Sponsoren.
Für die beiden Siegerinnen wird sich das Leben anschließend komplett ändern: Sie erhalten eine zweijährige Ausbildung zur Astronautin. Eine der beiden wird schließlich bis 2020 zur ISS reisen und in die Fußstapfen der Russin Valentina Tereschkowa treten, die 1963 als erste Frau ins All flog.
Und wer weiß: Mit etwas Glück wird es Jovana Džalto sein – eine normale Frau aus der Pfalz, die die Erde aus dem Weltraum beobachten kann.

am 28.10.2016 von
Melanie Löw