
Startup Evolime im Porträt
Was haben eine Limette und ein Rad gemeinsam? Im Querschnitt sehen beide gleich aus. Das typische Muster der Speichen findet sich bei der Limette in den getrennten Fruchtsegmenten wieder. Speichenräder lassen sich übrigens mit einem neuartigen Verfahren, welches ein Startup an der TU Kaiserslautern (TUK) entwickelt hat, automatisiert und effizient aus leichtem Faser-Kunststoff-Verbund herstellen. Da das Team die Unternehmensgründung als Evolutionsprozess erlebt hat, heißt ihr im Januar gestartetes Unternehmen „Evolime“; das Firmenlogo leuchtet in limettengrüner Farbe. Der Weg von der Idee bis heute hat nicht nur technologisches Feingefühl, sondern auch ein gutes Gespür für Kundenanforderungen und viel Flexibilität erfordert.
Die grundlegende Erfindung hat Dr. Marcel Bücker während seiner Promotion am Institut für Verbundwerkstoffe (IVW) der TUK gemacht. „Die Idee, die patentierte Nasswickel-Technologie für Leichtbaufelgen im Automobilbereich zu nutzen, ist leider bislang an fehlenden Zulassungsvorschriften gescheitert“, erklärt der Wirtschaftsingenieur. Losgelassen hat ihn das Thema dennoch nicht. Bei einer nachfolgenden beruflichen Station in der Industrie kamen ihm neue Anwendungsfelder für sein Verfahren sowie ein darauf basierendes Geschäftskonzept in den Sinn.
EXIST-Förderung hilft beim Umsetzen
Den sich in seinem Kopf entwickelnden Businessplan hat er auf privater Ebene regelmäßig mit seinem ehemaligen Kommilitonen und Studienfreund Dr. Thomas Robbert reflektiert. „So bin ich immer tiefer in die Planungen einbezogen worden“, erinnert sich Robbert, dessen betriebswirtschaftliche Vertiefungsrichtung die technische Kompetenz von Bücker perfekt ergänzt. „Als es den Antrag für den EXIST-Forschungstransfer zu schreiben galt, war ich schon offiziell dabei. Und als die Bewilligung eintraf, war klar, dass ich endgültig mit im Boot sitze.“
Die Förderung durch EXIST-Forschungstransfer kam für das Gründerteam wie gerufen. „Erfindung und Konzept hatten wir schon“, so Bücker. „Was fehlte, war der Prozess und die Strukturen, mit denen wir unsere Idee kommerzialisiert bekommen. Am IVW gab es bereits zwei Startups, die am Förderprogramm teilgenommen hatten. Vom Wissen unserer Vorgänger, was beim Antragsverfahren zu beachten ist, sowie generell von der Erfahrung hier im Institut haben wir enorm profitiert.“
EXIST-Forschungstransfer unterstützt speziell forschungsbasierte Gründungsvorhaben, die mit aufwendigen und risikoreichen Entwicklungsarbeiten verbunden sind. Personalkosten für vier Mitarbeiter*innen sind dadurch ebenso abgedeckt wie projektbezogene Sachkosten. „Den im Vergleich zum Gründerstipendium etwa 10-mal höheren Förderbetrag benötigen wir insbesondere für unsere Fertigungsanlagen und kontinuierlichen Versuchsreihen“, erläutert Bücker. „Parallel dazu hat uns auch das Gründerbüro der TU&HS Kaiserslautern wertvolle Starthilfe gegeben und uns durch alle Phasen begleitet.“
Es kommt immer anders als gedacht
Der ursprüngliche Businessplan sah vor, die ersten Geschäftseinnahmen über die Produktion von Maschinenbauteilen zu generieren. Doch schon bald tauchten Herausforderungen auf. „Unsere Technologie ist nicht selbsterklärend“, resümieren die beiden Ingenieure. „Um Kunden zu überzeugen, braucht es das persönliche Gespräch – speziell, um den Wert unseres Produkts und die Einsatzmöglichkeiten zu erklären. Dabei müssen wir in einer Welt, in der es vor allem auf den Preis ankommt, gute Argumente liefern können. Denn günstiger sind unsere Speichenräder im Vergleich zu Stahl nicht. Wir punkten stattdessen mit individuellen, flexiblen Lösungen und Materialeffizienz: Niedriges Gewicht bei hoher Performance und hoher Korrosionsbeständigkeit.“
Gerade diese so wichtigen vertrieblichen Aufgaben hat die Corona-Pandemie ungemein erschwert. „Die beste Möglichkeit, mit Kunden offen ins Gespräch zu kommen, bieten sich bei Fachmessen“, so Robbert. „Und die sind dieses Jahr so gut wie alle ausgefallen. Zudem ist die Maschinenbaubranche von der Pandemie wirtschaftlich stark getroffen worden. Bei einem Hersteller, dem wir eine Hochleistungsschleifscheibe (zum Herstellen von Kurbelwellen) zum Praxistest geschickt hatten, steht die entsprechende Produktionsanlage seit Monaten still.“
Jetzt kommt Plan B ins Rollen
Sich zunächst nur auf eine Branche zu fokussieren, haben die Gründer längst überdacht und eine weitere Richtung eingeschlagen: Speichen für Fahrradfelgen. „Gute Einsatzmöglichkeiten sehen wir insbesondere bei Rennrädern, wo es auf jedes Gramm ankommt“, erläutert Robbert. „Zudem liegt Radsport generell wieder stark im Trend.“
Die vorhandene Fertigungsanlage einfach umstellen und loslegen konnte Evolime jedoch nicht. Zunächst galt es eine Menge Entwicklungsarbeit zu investieren: Wie lassen sich die Speichen an Nabe und Felge anbinden und welchen Belastungen müssen sie standhalten können? Bücker: „Da haben wir uns über Versuchsreihen zunächst Schritt für Schritt herangetastet. Zudem war unsere bisherige Anlage nicht auf derartig großen Geometrien ausgelegt. Sprich, wir haben erneut investiert und unseren Maschinenpark erweitert.“ In einem knappen Jahr, so schätzt der Ingenieur, sollen die Fahrradspeichen dann marktreif sein.
Gut, dass die EXIST-Förderung noch bis April 2021 läuft. Gerade in unsicheren Zeiten wie diesen. Robbert ergänzt: „Zudem sind wir dankbar, dass wir unter dem Forschungsschirm der TU relativ sicher aufgestellt sind, was Räumlichkeiten und weitere Infrastrukturen betrifft.“
5 Tipps von Evolime für die Startups von morgen
Neben Bücker und Robbert zählen auch Fertigungsingenieur Valentin Hörtdörfer und Automatisierungstechniker Frank Belyea zum Team. Seit dem offiziellen Start ins Vorhaben vor eineinhalb Jahren haben sie gemeinsam viele Höhen und Tiefen durcherlebt. Deshalb möchten sie anderen Startups, die gerade am Beginn eines Gründungsvorhabens stehen, diese Tipps mitgeben:
- Die eigene Erfindung eingangs einem kritischen Markt-Fakten-Check unterziehen: Wie lässt sich die Idee in einem absehbaren Zeitraum monetarisieren?
- Frühzeitig mit Gleichgesinnten reden, die im Kontext „Unternehmensgründung“ Erfahrung haben und aufzeigen können, welche Unterstützungsangebote es gibt.
- Mindestens eine Person im Team sollte über Industrieerfahrung verfügen. Das hilft, Markt- und Kundenanforderungen realistisch einzuschätzen.
- Von Anfang an Vollgas geben! Die geplante Zeitschiene und damit auch Fristen bzw. Förderzeiträume einzuhalten, ist das Allerwichtigste.
- Nicht zuletzt sollten Gründer*innen auch ein gewisses Maß an Resilienz mitbringen. Denn es kann immer wieder Phasen geben, in denen das Projekt ins Stocken gerät.
Und wer jetzt noch mehr zur Technologie und zu den Produkten von Evolime erfahren möchte, kann gerne auf der Unternehmenswebseite unter http://evolime.de/ vorbeischauen.
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Oben im Bild:
Dr.-Ing. Marcel Bücker vor der laufenden Produktionsanlage. Hier wird im letzten Schritt der Außenring gewickelt. (Foto: TUK/Evolime)
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am 04.12.2020 von
Julia Reichelt